In der Kita tätig zu sein, bedeutet, jeden Tag viele quirlige Menschen um sich herum zu haben, die nicht unbedarft in die Einrichtung kommen, sondern ihren eigenen kleinen Rucksack mit Erfahrungen, Erwartungen, Sorgen und auch Strategien mit sich tragen. Und dieser Rucksack kann nicht am Fach abgelegt werden. In einem Gruppenraum stapelt sich also ziemlich viel Reisegepäck, manches größer, manches kleiner. Manche Taschen bleiben den Tag über verschlossen, manche werden geöffnet, manche öffnen sich auch von allein. Und während wir gerade dabei sind, die Tasche von Luca zu schließen, fällt aus Amys Seitenfach etwas, das sie zum Weinen bringt. Marcel leert den gesamten Inhalt seiner Tasche wütend auf dem Teppich aus und Merve versucht, ihre Tasche unbemerkt wieder zu schließen.
Das ist natürlich nur eine Metapher. Es wäre schön, wenn wir die Rucksäcke der Kinder so offensichtlich wahrnehmen könnten und ihnen beim Auspacken, Umpacken und Einpacken helfen könnten. Wenn Kinder weinen, sich zurückziehen oder laut werden, schauen wir in der Regel nicht nach dem Inhalt ihres Rucksacks, aber wir trösten sie, ermutigen sie oder bitten sie, leise zu sein. Wir wissen, was wir in unserem Rucksack dabei haben, und spenden Trost, wenn sich ein Kind verletzt, sind ernst, wenn ein Kind etwas tut, das wir nicht gut finden, und lachen, wenn uns ein Kind etwas erzählt oder vormacht, das wir lustig finden. Ausschlaggebend sind wir selbst - und unser Gepäck in unserem Rucksack. So kommt es, dass wir Kindern auch sagen: „Das ist doch gar nicht so schlimm“, „Ach, spiel doch weiter“ oder auch „Mach doch nicht so ein Theater“. Und es ist nicht böse gemeint, sondern ein Rat, den wir in unserem Rucksack gefunden haben – und uns hat er doch auch nicht geschadet. Oder etwa doch?
Wenn wir mit unseren Werten und Erfahrungen auf Kinder blicken und ihr Verhalten bewerten, stammt das Wissen aus unserem (recht großen) Rucksack. Wir nehmen also einen Gegenstand heraus und packen ihn den Kindern ein. Wir füllen ihr Reisegepäck, ohne ihnen Platz für ihren eigenen zu lassen. Und hier sprechen wir von Adultismus: Wir beschweren die Kinder, ohne auf ihre eigenen Bedürfnisse, Fähigkeiten und Interessen Rücksicht zu nehmen. Das passiert, wenn wir ihnen sagen, was richtig ist oder falsch, wenn wir darüber bestimmen, was sie anziehen, essen oder zum Schlafen mitnehmen sollen – aber auch, wenn wir Räume einrichten und gar nicht in Erwägung ziehen, Kinder nach ihrer Meinung zu fragen. Wenn sie sich nicht so verhalten, wie wir es gut finden, weisen wir sie darauf hin, auch durch Strafen oder Belohnung. Es lohnt sich also, mal tief in unseren eigenen Rucksack zu greifen und nachzuschauen, ob wir diesen Ballast wirklich so mit uns tragen wollen oder ob es nicht an der Zeit ist, ihn wütend auf dem Teppich auszuleeren.
Zum Weiterlesen
Finger, F. (2024): Selbst aktiv statt fremd bestimmt. Gelingende Partizipation in Kita, Krippe und Kindertagespflege. Freiburg: Herder.
Wolters, M. (2024): Adultismus in der Krippe. Erkennen - verstehen - verändern. Norderstedt: BoD.
© wunderwitzig. Alle Rechte vorbehalten.
Wir benötigen Ihre Zustimmung zum Laden der Übersetzungen
Wir nutzen einen Drittanbieter-Service, um den Inhalt der Website zu übersetzen, der möglicherweise Daten über Ihre Aktivitäten sammelt. Bitte überprüfen Sie die Details in der Datenschutzerklärung und akzeptieren Sie den Dienst, um die Übersetzungen zu sehen.